Lucie Schenker

Saiten, Zeughaus Teufen - Don't Mind the Gap

Saiten, Zeughaus Teufen - Don't Mind the Gap
Januar 2021

Im Zeughaus Teufen ist das Dazwischen zu sehen:
Die aktuelle Schau bezieht sich mit dem Titel auf «Zwischen
Farben» und ist doch viel mehr als eine Ausstellung über
Farbphänomene und deren Spielräume. Von Kristin Schmidt

Zum Auftakt eine Bank: eine Sitzbank aus Holzlatten auf einem
Stahlrohrgestell. Einladend. Einfach in der Materialwahl.
Klar in der Formgebung. Die Bank steht im Zeughaus Teufen
in der aktuellen Ausstellung. Aber sie ist keine Museumsbank,
gestaltet für die bedachte Nutzung durch Ausstellungsgäste.
Sie soll dem intensiven Gebrauch im Aussenraum
dienen, auch wenn sie derzeit nur als Einzelstück existiert.

Zwischen Bau und Skizze
Die Geschichte der Bank beginnt an der Ulmer Hochschule für
Gestaltung. Hier studierte der im vergangenen Jahr verstorbene
St.Galler Max Graf bei Johannes Itten, Josef Albers,
Max Bill und anderen. Als Bill die Schule 1958 verliess,
folgte Max Graf ihm nach Zürich.

In dieser Zeit wurde der Wettbewerb für das neue
Schulhaus im Kinderdorf Pestalozzi ausgeschrieben. Der angehende
Architekt reichte seine Diplomarbeit ein und gewann.
Zu seinem umfassenden Verständnis von Architektur,
ihrer sozialen Funktion und ihrem gesellschaftlichen Anspruch
gehörte, dass er für Trogen auch Sitzbänke entwarf –
die aber nie realisiert wurden. Erst im vergangenen Jahr
wurde das erste Exemplar gebaut und steht nun im
Zeughaus Teufen.

Nicht weit davon, im Treppenhaus, im Eingangsbereich,
im kleinen Garderobenraum sind Grafs Zeichnungen zu
sehen. Viele Bauten gibt es von ihm nicht, er hat mehr unterrichtet
und viel, viel gezeichnet. Papier und Stift hatte er immer
dabei.

Manche der Blätter sind kaum mehr als kleine, grafische
Notizen, andere haben den Charakter eigenständiger
künstlerischer Arbeiten. Wenige Linien begegnen sich auf
ihnen, streben einander zu oder fügen sich zu geometrischen
Formen. Sie tragen Titel wie 8 gleichgrosse Strecken, isolierte
Vielecke oder präzises Dazwischen.

Dieses «Dazwischen» ist das Verbindende der ganzen
Ausstellung. Es findet sich an verschiedenen Punkten.
So ist beispielsweise Harlekin von Katrin Hotz aus Biel dazwischen
installiert: Zwischen den beiden Seitenräumen flankieren farbige Papierbahnen den Mittelgang. Sie leiten
den Blick von der einen Stirnseite des Hauses bis auf die
andere, setzen starke Farb- und Formakzente. Auch der Boden
wird einbezogen, und im Kabinett mit den Landschaften
Hans Zellers schiebt sich eine Bahn zwischen Wand und
Gemälde.

Zwischen Perfektion und Improvisation
Hotz‘ Installation bewegt sich im Spannungsfeld zwischen
Perfektion und Improvisation: Akkurat geschnittene Kanten
kontrastieren mit gerissenen Rändern. Hochglanzlack trifft
auf zerknitterte Oberflächen, die mehr Relief sind als Malerei.
Letztere wiederum wird im Farbauftrag und den Farbtönen
gefeiert: Satt eingestrichene Bahnen leuchten in merkwürdigen
Grüntönen, in unbeschreiblichem, gebrochenem Orange
oder Braun. Dazwischen strahlt Neongelb hervor.

Trotz ihrer grossen Präsenz lässt Harlekin auch den
anderen Werken genügend Raum: Im einen Flügel der Ausstellungsetage
präsentiert Lucie Schenker ausgewählte
Arbeiten, im anderen Gilgi Guggenheim. Lucie Schenker
schlägt eine Brücke zwischen Malerei und Zeichnung.
Die St.Galler Künstlerin fügt mit Fettstiften kräftige Striche
zu dichten Flächen. Auf anderen Blättern verwendet sie
den Bleistift in dichter Schraffur: Die einzelne Linie verschwindet,
die plastische Form entsteht – die Balance wird gehalten,
das Dazwischen hat Bestand.

Gilgi Guggenheim zeigt ihre Werke in Kooperation mit
AUTO ex Nextex: Der Projektraum der Visarte Ost hat
einen Satelliten mit zwei Künstlerinnen ins Zeughaus Teufen
geschickt. Von Johanna Nissen-Grosser sind Entwürfe für
ein dreiteiliges Wandmosaik zu sehen, die eine schöne Farbsymbiose
mit Harlekin eingehen.

Gilgi Guggenheim zeigt Arbeiten mit dem Riesenpinsel:
pro Blatt ein Strich, pro Weiss eine Farbspur. Diese ist
jedoch nicht homogen, sondern fügt sich aus unzähligen
Zwischentönen zusammen. Ein vielstimmiger Klang zieht
sich über jedes Bild, entstanden in einem Schwung, festgehalten
auf dem Papier – kurze Momente des Innehaltens in
dieser vielseitigen, dichten Präsentation, in diesem gut
gefüllten Raum mit all den Spuren vergangener Ausstellungen.
Auch «Zwischen Farben» wird sich hier hoffentlich
auf Dauer einschreiben.

  • Herausgeber:in:
  • Saiten