Buchobjekt, Gästebuch des Stadtrats der Stadt St.Gallen
Empfangenv om GüldenenB uch
Seine Oberfläche eizeugt nicht
das wohlige Gefilhl eines Handschmeichlers.
Und das viele Gold
ist auch nicht ein direkter Verweis
auf die Heilige Nacht Und doch
lassen sieb, liegt es auf den offenen
Handflächen. allerlei Bezüge
hetstellen. Schwer wie es ist Gülden
wie es ist Kunstvoll wie es ist
Irritierend, wie es ist mit seinen
metallenen Ringlein. gewunden,
vetschlungen und im eigenen
Hohlraum fast vibrierend, schwe'.bend
unter nackten Ftlssen wohl
das Gefühl vom Geben Uber ein
sonnenvergoldetes Erntefeld erzeugen
würde.
Wir denken uns etwas aus über
das An.kommen, wie an Weiltnachten.
und wir lassen den Blick
hinüberwandern zum grossformatigen
Gemälde des Künstlers
Patrick Rohner, eine elier schrundige
Oberfläche auch dort, gespie-_
rnrlt'TAII
geie die auf Nagelfluh gebauten
Hügelquartiere im Wechselspiel
der üchteinscrahlung. welcbe die
raubeOberflächederverscbichteten
Malerei an gewissen Stellen
ebenfalls in einen goldenen FarbInn
tauchen. Wir kehren zurllck,
beruhren erneut, was da so-gül·
den vor uns liegt, streid1en sacht
darüber, die Schlingen ein GeOecht
von Weltnahme, die hier
von Hand zu Hand gereicht wird.
Es handelt sich um das Goldene
Buch der Stadt. wie es auch in
zahlreichen anderen Gemeinden
aufgelegt wird, auf dass sich Gäste
aus aller t 1nit ihren Namen,sohle, auf die Hügel
ihrem Herkunftsort eintragen
können und auf der Dachterrasse
des Rathauses oft zum etsren Mat
den unvergleichlichen Ausblick
geniessen. Die Sicht ~uf die geschichtsreicbe
Innenstadt, auf
Türme und Kirchen, auf die langgestreckte
T
zu beiden Seiten - von nirgends
sonst bietet sich-den eingeladenen
Delegationen, Gruppen, Vereinen
und Einzelpersonen aus der
ganzen Welt ein derart phantastischer
Ausblick. Am Schluss .der
Besuche wird den Gästen jenes
kunstvoll gestaltete Buch, gebunden
von Buchbinder Gebhard Fi.
sc.her, vorgelegt, wo sie sich mit
ihren Namen und ihren Herkunftsorten
eintragen können.
Es handelt sich beider SL Gall er
Ausgabe nicht um einen in Leder
gebundenen Folianten, wie es ursprünglich
die Adelsverzeichnisse
italienischer Städte und Staaten
datstellten, woher der Begriff «Libro
d'Oro» abgeleitet ist. Vielmehr
wurde die SL Gall er Künstlerin Lucie
Schenker mit der Gestaltung
des etsten Goldenen Buches betraut
im Vorhaben, im laufe der
Zeit mit ,vechselnden Kunstschaffenden
eine Kunstbuchreihe enrstehen
zu lassen. Mit diesem Einbezug
von St.Gailer Kunstschaffenden
setzt der Stadtrat gewiss
ein sd1önes Zeichen der Wertschätzung
sowohl den hiesigen
K0nstlerinnen und Künstlern gegenüber
als auch den Gästen, die
so mit diesem ganz besonderen
Format eines «Kunst-Handschmeichlers11
in Berührung kommen.
Zu Beginn des Jahres 2009 war das
Buch 1 •in Betrieb• genommen
worden; nun, zwei Jahre später,
präsentiert es sich, umhüllt wn
fülgranen Kupferdrähten auf einem
geschmeidigen Flies, beinahe
bis zur letzten Seite mit Einträgen
gefüllt. Zu Gast waren -
unter zahlreichen anderen - der
Islamische Dachverband; der Bischof.
die , alt Stadtpräsidenten
und alt Stadtschreiber (unter ihrem
Sammeinamen •Mafia»).
Eine Delegation der Bürgerlichen
Witwen- und Waisenkasse (gegründet
l732); die Familie Knie;
das Internationale Students Committee;
der Logistiketstab des ehemaligen
Geb AK (Gebirgsarmeekorps);
der antirassistische Quartiecverein
Lachen; der Herr BotschafterTshivulaSolomon
aus der
Republik Südafrika; das Institut
für Anästhesiologie; eine Delegation
aus Aserbaidschan.
Auf dem (Rathaus-)Dach der
Weltecscheint die Vielfalt wie ein
Zeichen von Verständigung und
Toleranz. -wie ein in Gold gefasstes
Symbol filr Weihnachten.
BrigitteSchmid-Gugler